Dr. Eugen Otto | Herbst 2020
Sachkundige Bewertung eines Wiener Gründerzeit-Zinshauses
Mit welchen Verfahren berechnen Sachverständige den Wert eines Zinshauses? Wie lange behält der einmal errechnete Preis seine Gültigkeit, oder: Warum werden Häuser aus langjährigem Privatbesitz höher bewertet? Um diese und weitere interessante Themen für Käufer, Verkäufer und Eigentümer von Wiener Zinshäusern aus der Gründerzeit geht es im folgenden Interview unserer Redaktion mit Dr. Eugen Otto. Der Wiener Immobilienunternehmer ist seit 27 Jahren Gerichtssachverständiger für das gesamte Immobilienwesen, Sachverständiger für internationale Immobilienbewertung und Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors.
Herr Dr. Otto, zunächst grundsätzlich: In welchen Fällen wird eine sachkundige Bewertung eines Zinshauses benötigt?
Es gibt viele Anlassfälle, ein Zinshaus bewerten zu lassen – sei es bei einem Verkauf oder Ankauf, im Erbschaftsfall, bei der Aufteilung innerhalb der Familie, oder auch, wenn man den aktuellen Wert seines Vermögens feststellen möchte.
Wie bestimmt sich der Wert eines klassischen Gründerzeit-Zinshauses?
Bei einem Zinshaus dominiert die Lage und der zu erwirtschaftende Ertrag – die Bewertung erfolgt daher meist mit einem sogenannten ertragsorientierten Verfahren, wobei auch der Substanzwert eine immer wichtigere Rolle spielt.
Warum ist der Wert von Zinshäusern, die nebeneinander liegen, doch oft unterschiedlich?
Der Wert eines Zinshauses ist einerseits stark geprägt durch die konkrete Lage: in welchem „Grätzel“ ist die Liegenschaft angesiedelt, verläuft eine U-Bahn- oder Straßenbahn in der Nähe, wie ist die Infrastruktur mit Nahversorgern, Gastronomie oder Freizeitmöglichkeiten, aber auch die Nähe zu Parks oder Grünflächen. Weiters wertbestimmend ist wie gesagt der Ertrag des Hauses. Weist das Nachbargebäude einen höheren Mietzins auf, kann dieses wesentlich mehr wert sein als das eigene. Auch wirken sich mögliche Zubauten, und die Qualität der bestehenden Verträge mit Altmietern sehr auf den Wert aus – aber auch, wie es bisher bewirtschaftet wurde.
Welche Rolle spielt es, wenn ein Haus aus langjährigem Privatbesitz stammt?
Diese Gebäude sind bei Käufern beliebter, da es eine Besonderheit ist, wenn ein Haus nach Jahrzehnten erstmalig wieder auf den Markt kommt. Der meist unverbaute Originalzustand aus der Jahrhundertwende, die Möglichkeit zur Entwicklung von Baureserven und zu durchgreifenden Sanierungen macht sie attraktiv und das wirkt sich positiv auf den Preis aus.
Welche Herausforderungen stellen sich bei der Bewertung eines Zinshauses?
Der Mietzins von klassischen Gründerzeit-Zinshäusern ist gesetzlich im Mietrechtsgesetz geregelt: Es ist hier grundsätzlich der Richtwertmietzins anzuwenden, der nach oben beschränkt ist. Von diesem Richtwert können Zu- und Abschläge für etwa Stockwerkslage oder Lift gegeben werden. Die korrekte Berechnung des Lagezuschlages ist aufgrund unsicherer Rechtslage eine Herausforderung für Fachleute und bedarf einer besonderen Methode, die die aktuellen Gerichtsentscheidungen berücksichtigt.
Welche Bewertungsverfahren gibt es?
Zunächst ist das klassische Ertragswertverfahren zu nennen, das auch im Liegenschaftsbewertungsgesetz geregelt ist. Hier wird der derzeitige Mietzins mit einem entsprechenden Zinssatz auf die restliche Nutzungsdauer des Gebäudes kapitalisiert. Bei diesem Verfahren besteht jedoch die Schwierigkeit, Mietzinsanhebungen, Potenziale, etc. darzustellen und explizit zu bewerten.
Aus diesem Grund haben sich weitere, internationale Bewertungsverfahren herausgebildet, wie z.B. das Discounted-Cash-Flow-(DCF-)Verfahren oder die Term- und Reversion-Methode.
Die DCF-Methode ist in Österreich seit 2008 in einer eigenen ÖNORM (B1802-2) definiert. Bei diesem Verfahren können in einem Detailprognosezeitraum von meist 10 Jahren die Mieten und auch die Ausgaben detailliert dargestellt werden, nach diesem Zeitraum wird wiederum ein Ertragswert berechnet.
Auch die Term- und Reversion-Methode ist ein anerkanntes und hilfreiches Bewertungsverfahren für Zinshäuser, da hier Zahlungsströme auf Mieterbasis differenziert dargestellt werden können. Es können dadurch auch individuelle Miet-dauern/Befristungen, Sanierungen, etc. detailliert berücksichtigt werden.
Die internationalen Verfahren haben gemeinsam, dass der Bodenwert nicht explizit zu berechnen ist, was im dicht verbauten Wiener Stadtgebiet ja oft eine Schwierigkeit darstellt. Der Bodenwert, die Lage und auch weitere Parameter werden hier im Zinssatz abgebildet.
Welche Möglichkeiten hat ein Hauseigentümer, den Mietzins zu erhöhen?
Wenn das Gebäude nicht in einem typischen Gründerzeitviertel liegt (überwiegender Gebäudebestand von 1870 bis 1917, der im Errichtungszeitpunkt überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen beinhaltet), kann bei überdurchschnittlicher Lagequalität ein Lagezuschlag berechnet werden. Gemeinsam mit Kollegen haben wir ein treffsicheres Bewertungs-Modell für die Ermittlung des aktuell möglichen Lagezuschlages erarbeitet.
Wie lange behält der ermittelte Preis für ein Zinshaus seine Gültigkeit, wann sollte nachbewertet werden?
Da sich der Markt sehr schnell weiterentwickelt und gerade im Zinshausbereich hohe Nachfrage herrscht, besitzen die Werte meist nur für ein Quartal ihre Gültigkeit. Danach kann man, auf Basis der ausführlichen Bestandsanalyse und Erstbewertung, eine Nachbewertung überlegen.
Warum sollte jemand, der eine Bewertung seines Zinshauses benötigt, zu Ihnen kommen?
Das ist keine leichte Frage, sich selbst öffentlich zu „bewerten" ist schwierig. Es gibt aber aus meiner Sicht mehrere Gründe, die für die Qualität unserer Arbeit auf diesem Gebiet sprechen. Wir verfügen nicht nur über jahrzehntelange Erfahrung im Verkauf von Zinshäusern, sondern als einer der wenigen heimischen Berater über eine eigene Research-Abteilung. Dadurch liegen uns sämtliche Daten zu aktuellen Verkaufspreisen und Renditen vor, die wir ja seit mehr als 10 Jahren in diesem Zinshausmarktbericht zweimal jährlich publizieren. Das heißt, wir kennen die Details jedes einzelnen Verkaufes seit 2008. Dazu kommen die Markterfahrung und Einschätzung unserer Zinshaus-Makler, die ebenfalls ihr Wissen, ihre Expertise und das Feedback vom Markt einbringen. Aber nicht zuletzt: Wir haben eine breit aufgestellte und bestens ausgebildete Sachverständigen-Abteilung und sind an vorderster Front am Markt tätig.
Dr. Eugen Otto
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