Diskussion: Die Zukunft des Wiener Gründerzeit-Zinshauses
Anlässlich des Jubiläums 10-Jahre Zinshaus-Marktbericht haben wir eine Diskussionsrunde mit vier hochkarätigen Experten der Immobilienbranche zum Thema „Die Zukunft des Wiener Gründerzeit-Zinshauses“ veranstaltet.
Die Diskussion wurde moderiert von:
Dipl.-Ing. Wojciech Czaja – Journalist, Buchautor, Moderator
Die Teilnehmer waren:
Dr. Gerhard Cech - Leiter der MA 37 - Baupolizei
Martin Denner – Teamleiter Research OTTO Immobilien
Dipl.-Ing. Bernhard Jarolim - Leiter des Kompetenzzentrums Bauforschung Stadt Wien Dr. Daniel Jelitzka – Geschäftsführer JP Immobilien
Dr. Eugen Otto – Geschäftsführer OTTO Immobilien
Mag. Andrea Purkl – Leiterin Asset Management Wertinvest
Beitrag von Herbst 2018
DR. EUGEN OTTO: Ich freue mich, dass wir für unseren Round Table zum 10-Jahres-Jubiläum unseres Zinshausmarktberichtes eine so hochkarätige Teilnehmerrunde von Expertinnen und Experten begrüßen dürfen. Als wir vor inzwischen 12 Jahren begonnen haben, diesen Markt näher zu untersuchen, war dieser sehr intransparten. Verlässliche Zahlen über den Gesamtbestand an Wiener Zinshäusern aus der Gründerzeit oder gar über aktuelle Preise oder gar Renditen gab es nicht. Mithilfe neuer, auch technischer Möglichkeiten hat mein Unternehmen die Chance wahrgenommen, in einem aufwändigen Verfahren die Grundlagen dafür wissenschaftlich fundiert zu erheben. Unsere Researcher haben zunächst damit begonnen, Zinshäuser zu zählen und diese nach den Baujahren 1848 bis 1918 und nach Merkmalen der Architektur einzuteilen. Hier war der Kulturgüterkataster der Stadt Wien eine große Hilfe. Aus dem öffentlichen Grundbuch wurde ein umfangreiches Eigentümerverzeichnis erstellt. Sehr wichtig war auch, Häuser aufzunehmen, die bereits ins Wohnungseigentum überführt sind, da diese auf dem Markt anderen Regeln gehorchen. Mit den Jahren wurden wir immer präziser, weil wir den Gesamtbestand für Wien und die Veränderungen miterhoben und dokumentiert haben. Zu guter Letzt haben wir auch eine Preiserhebung und eine halbjährliche Fortschreibung über das, was der Markt der Investition in diese Objekte ermöglicht, dokumentiert. Diesen Faktenteil haben wir mit einer sehr umfangreichen Recherche betrieben und tun das auch weiterhin. Für ebenso wichtig halte ich das Zinshaus als Kulturgut, das ich mit großer Liebe seit 1980 mitverfolge: Das klassische Wiener Gründerzeithaus ist für mich unersetzlicher und prägender Teil der Wiener Lebenskultur. Nicht einfach nur ein „Dach über dem Kopf“, sondern in dieser Stadt ein „Gesamtkulturdenkmal“, das uns von anderen europäischen Metropolen unterscheidet.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Jarolim, wie hat sich aus Ihrer Expertise das Zinshaus in den letzten zehn Jahren entwickelt?
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Aufgrund der Schlichtungsverfahren, die wir als MA 25 mit Gutachten unterstützen, stellen wir fest, dass sich das Thema Mietzins verstärkt hat. Der Bedarf an Überprüfungen hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Vor sechs, sieben, acht Jahren hatten wir jährlich ungefähr tausend Mietverträge zu überprüfen, mittlerweile zwischen vier- und fünftausend. In sehr vielen Fällen wird der Richtwert nicht eingehalten. Wir haben eine durchschnittliche Überzahlung von ca. 3 Euro pro Quadratmeter und Monat festgestellt. Allein durch Schlichtungsverfahren ist den Mietern auch aufgrund von rechtlichen Regelungen ein Geldrückfluss zwischen acht und zehn Millionen Euro pro Jahr zugekommen. Diese Entwicklung hat verschiedenste Gründe. Im Wesentlichen ist es die Verknappung des Wohnraumes durch den Zuzug – in den letzten zehn Jahren etwa 200.000 Leute in Wien. Man ist in Wien gewohnt, günstig zu wohnen aufgrund der hohen Anzahl an Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen. Das Regulativ des Richtwertzinses wird gerne in Anspruch genommen.
Ungefähr 70 bis 75 % aller Mietverträge sind befristet. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren ver- schärft, der Befristungsabschlag von 25 % ist wenig zu finden. Durch die Steigerung der Unzufriedenheit der Vermieter mit dem Richtwertzins gibt es eine Verlagerung zu Möbelmieten – also das Bestreben, Erlöse über Möbelmieten oder zusätzlich vermietete Gegenstände zu generieren.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Cech, was hat sich an Anforderungen und Interessen hinter den Kulissen der Baupolizei beim Wiener Zinshaus verändert?
DR. GERHARD CECH: Die Zäsur war die Neuregelung über die Abbrüche im Juni dieses Jahres. Bisher war es möglich, Zinshäuser, die nicht in einer Schutzzone oder in einem Gebiet mit Bausperre gelegen sind, ohne Bewilligung abzubrechen. Das hat immer weitere Kreise gezogen. Mit der Verlautbarung im Mai dieses Jahres, dass eine Bewilligungspflicht zu erwarten ist, gab es einen starken Anstieg der Abbrüche.
Es war wichtig, die Notbremse zu ziehen. Die Gründerzeithäuser sind ein wichtiger Bestandteil der Identität dieser Stadt. Da muss man Maßnahmen setzen, um sie erhalten zu können. Ungefähr 50 Abbrüche mussten eingestellt werden, einige Häuser davon waren nicht weiter schützenswert. Es geht jetzt um 22 Objekte, wo es noch Klärungen über das Verwaltungsgericht geben wird.
Jetzt stehen sämtliche Gründerzeithäuser in Wien unter diesem Schutz. Sie dürfen nur abgerissen werden, wenn sie nicht für das Stadtbild relevant sind oder wenn nachgewiesen wird, dass Sanierungskosten auch längerfristig nicht durch Mieteinnahmen eingebracht werden können. Damit ist für das Stadtbild sehr viel gewonnen und eine gute Entwicklung sichergestellt. Wichtig ist aber, dass man die Weiterentwicklungsperspektiven des Gründerzeithauses erkennt, nämlich durch Dachgeschoßausbauten oder sonstige Nutzungen diese Zinshäuser sinnvoll und zeitgemäß nutzbar zu machen. Es hat in den letzten Novellen Versuche des Gesetzgebers gegeben, Dachgeschoßausbauten zu erleichtern. Beim Garagengesetz wird ebenfalls versucht, Erleichterungen zu finden. Auch über Förderungen über den Wohnfonds versucht man, Anreize zu schaffen, um die Nutzbarkeit der Gründerzeithäuser sicherzustellen und sie für die Zukunft attraktiv zu machen.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Frau Purkl, wie ist Ihre Beobachtung, wenn Sie auf die letzten zehn Jahre zurückblicken? Sie haben aus Sicht von Wertinvest auch andere Interessen als andere.
MAG. ANDREA PURKL: Wir sind seit ca. 20 Jahren auf dem Zinshausmarkt tätig und sind in diesem Bereich sehr stark gewachsen. Wir haben im Gegensatz zu den meisten Zinshausinvestoren einen längerfristigen Blick auf das Haus, weil wir investieren, um zu bleiben. Das heißt, wir sanieren Häuser so, dass sie die nächsten 100 Jahre gut dastehen.
Wenn man zurückdenkt, wie grau die Stadt in den 1970er-Jahren war, wird klar, dass die Zinshäuser heute nicht so dastünden, wenn es nicht den wagemutigen Zinshausinvestor gäbe. Es hat vor allem aus steuerlicher Sicht in den letzten 10 Jahren massive Eingriffe gegeben, Stichwort Investitionsfreibetrag. Zuletzt hat man bei manchen Maßnahmen die Absetzbarkeit von 10 auf 15 Jahre und die Grundkostenanteile von 20 auf 40 Prozent gestreckt. Das heißt, man macht es dem Investor aus steuerlicher Sicht immer schwerer, ein Zinshaus langfristig zu bewirtschaften.
Dr. DANIEL JELITZKA: Das Kernproblem ist, dass sich in den letzten Jahren die Preise aufgrund der Zinssenkungen verändert haben. Was früher bei uns um 4 Prozent gekauft wurde, war ein paar Jahre später durch den normalen Wechsel im Haus, Alt- und Neuvermietung, ein 6-Prozenter. Heute kaufen wir als Profis um 2 Prozent an, warten, warten, warten und bewirtschaften. Dann ist es ein 4-Prozenter. Die Spirale dreht sich schon in einem Bereich, wo man sich fragt: „Warum macht man das alles noch?“
Man hofft, dass sich die Gesetze dem Markt anpassen. Darüber hinaus hat das Zinshaus als Sachwert seit jeher die Inflation geschlagen und ist ein sehr emotionales Investment. Das Zinshaus ist nichts für reine Rechner oder reine Bauchmenschen. Ein guter Zinshausinvestor kann beides: Rechnen und er hat auch Bauchgefühl. Ein wesentliches Thema sind Schlichtungsstellenverfahren. Sie löst man am besten, wenn man mit den Mietern offen redet. Dann gibt es immer eine Lösung.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Jarolim, was müssen wir ändern, damit das Zinshaus für den Investor attraktiv bleibt?
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs haben wir eine Situation, die niemanden befriedigt, weder den Vermieter noch den Mieter noch die, die das überprü-fen. Was wir von der Stadt jetzt gemacht haben, ist der Versuch einer Annäherung an eine Entscheidung, die sehr schwer umsetzbar ist. Ich persönlich gehe davon aus, dass die Vermieterseite diese Situation dazu nutzen wird, ein faires Mietrecht, was auch immer das ist, einzufordern. Es wird zu dieser Thematik weitere OGH-Entscheidungen geben müssen. Wenn ich ein Haus sehr schön saniere, hat das einen Wert. Wenn ich in diesem sanierten Haus wohnen kann, hat auch dieses Wohnen für mich einen Wert. Mieter sind bereit, entsprechend dafür zu bezahlen, auch wenn die Miete möglicherweise über dem gesetzlich zulässigen Mietzins liegen. Vergleich und Gespräch werden als Mittel angenommen. Ich unterstreiche auch, dass Wien immer noch beim Wohnen günstig ist. Wir als Stadt sind natürlich stark gefordert, dass diese Leistbarkeit bestehen bleibt, auf den unterschiedlichsten Ebenen.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Otto, Frau Purkl und Herr Jelitzka, befürchten Sie, dass die neue Lagezuschlagskarte rückwirkend auch Sie treffen wird?
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Es geht seit Jahren um den Lagezuschlag. Ob Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Es wird viel über jedes Haus diskutiert werden. Wir werden im Zuge der Neuvermietung bei jedem neuen Projekt ein sehr genaues Gutachten machen. Man muss sich durch ein Gutachten absichern.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Das heißt, das ist vorab ein neuer, zusätzlicher Schritt in Ihrem Vortrag?
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Das ist unbedingt notwendig, um Rechtssicherheit zu haben. Wir tendieren dazu, den Lagezuschlag nicht mehr schriftlich in allen Details auszufüllen, sondern auch das Gutachten dazuzugeben.
MAG. ANDREA PURKL: Es werden immer mehr Häuser ins Wohnungseigentum überführt werden. Wenn ein Haus einmal im Wohnungseigentum ist, ist es für den Markt verloren. Solch ein Haus ist das letzte Mal saniert worden. Da wird sich bei 20 Wohnungseigentümern nie wieder ein Konsens über Fassadensanierung, über eine Pflege des Hauses finden lassen. Mit solchen Entscheidungen zerstöre ich langfristig den Markt und das Stadtbild. Ich würde mir wünschen, dass man sich mit allen Fraktionen hinsetzt und eine Anpassung ermöglicht.
DR. EUGEN OTTO: Die Lagezuschlagskarte ist ein wichtiges Instrument. Aber nach meinem Verständnis ist sie ein Vorschlag. Ich glaube, dass es eine Menge von qualitativen Merkmalen für einzelne Gegenden, für einzelne Lagen gibt, ob ärztliche Versorgung, Verkehr oder Supermarkt die nicht berücksichtigt sein können. Die Qualität des Gebäudes und der Wohnung finden wir nicht im Lagezuschlag, sondern in der Zinsberücksichtigung. Es geht darum, die Qualitäten auch nachvollziehbar zu machen. Dort, wo die Vermieter Qualitäten für die Nutzer in gutem Service und guter Ausstattung geschaffen haben, hat man auch die größten Chancen, eine faire Gegenleistung zu bekommen.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Cech, wenn das Haus einmal in Wohnungseigentum übergetreten ist, wird eine Sanierung mitunter unmöglich. Die Sanierungsfälle, die in den letzten Monaten bei Ihnen gelandet sind, von welchen Fällen sprechen wir da?
DR. GERHARD CECH: Im Wohnungseigentum wird es schwieriger, weil Meinungsbildung im ganzen Haus komplizierter wird. Das sind die Fälle, die wir durchfechten müssen, denn letztlich müssen sich die Eigentümer auf etwas einigen. Es gibt Möglichkeiten, in Problemfällen einzuschreiten.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Die bereits erfolgten und die auf uns noch zukommenden Novellen der Wiener Bauordnung werden das Zinshaus und den Zinshausmarkt verändern. Im November tritt eine Novelle in Kraft, die mit der Widmung des geförderten Wohnbaus die Flächenwidmung beeinflussen wird. Das wird Bestandsobjekte betreffen, bei denen aufgestockt oder aufgewertet wird. Was kommt auf uns zu? Und was betrifft den Zinshausmarkt?
DR. GERHARD CECH: Die Stadt Wien hat den Masterplan „Gründerzeit“ entwickelt. Es braucht sehr viel Flexibilität, um Gründerzeithäuser sinnvoll nutzen zu können. Das ist in viele Punkte der Bauordnungsnovelle eingeflossen. Zum Beispiel waren bisher viele Abweichungen von den Bauvorschriften nur dann möglich, wenn maximal einzelne Geschoße eines Gebäudes geändert wurden. Diese Einschränkung fällt weg, sodass zukünftig auch bei größeren Änderungen eines Gebäudes von Bauvorschriften abgewichen werden kann, wenn der Aufwand dafür unverhältnismäßig wäre.
Auch die Möglichkeit, die Flächenwidmungspläne rascher und leichter abzuändern, ist für uns eine große Erleichterung. Alles, was im gründerzeitlichen Bereich ist, ist immer knapp an der Grenze des Konfliktes mit der Flächenwidmung. Das passt nie hundertprozentig zusammen. Da sind sehr oft Ausnahmebewilligungen über den Bauausschuss notwendig. Das kann dadurch abgefangen werden, dass in kürzeren Intervallen mit einfacheren Voraussetzungen die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne abgeändert werden. Dadurch können gute Projekte einfach umgesetzt werden, die nicht mit den normalen Kriterien des §69 Bauordnung mit Abweichungen zu bewältigen sind. Hier erwarte ich einiges an innovativen Projekten. Man sieht auch bei der Stadterweiterung, dass sehr viele Ideen in die Zinshäuser gesteckt wird. Die sollte man nutzen, um das weiterzuentwickeln.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Was ist mit dem geförderten Wohnbau? Inwiefern wird dieser das bestehende Grunderzeithäuser - wie auch immer sie verändert, aufgestockt, erweitert oder saniert werden - in der Praxis betreffen?
DR. GERHARD CECH: Das hängt von der Widmungspraxis ab. Ich denke, dass der geförderte Wohnbau eher in Neubaugebieten seinen Platz haben wird. Wenn ich ein Grundstück erstmals für Wohnen zur Verfügung stelle, kann ich dort mit gefördertem Wohnbau anfangen. Dass man schon bestehende Widmungen angreift und daraus einen geförderten Wohnbau macht, wäre ein starker Eingriff in wohlerworbene Rechte.
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Vorstellbar ist für mich eine derartige Widmung im Bereich der Bestandsgebäude nur bei Aufzonungen. Das heißt bei einer Vermehrung der Kubatur bzw. Nutzflächen könnte ein bestimmter Anteil an leistbarem Wohnraum eingefordert werden.
DR. EUGEN OTTO: Es gibt schon seit einigen Jahren eine Vereinbarung zwischen der Stadt und zwischen den Bauträgern und Bauentwicklern: Dafür, dass im Interesse aller etwas Neues, vielleicht Erweitertes geschaffen werden kann, soll auch ein Beitrag für die Infrastruktur der Stadt oder für das leistbarere Wohnen geleistet werden. Ich glaube, das funktioniert bis dato ganz gut.
MAG. ANDREA PURKL: Im klassischen Gründerzeithaus sehe ich keine Risiken auf uns zukommen. Aber wir haben gemeinsam mit dem Wohnfond Wien Sockelsanierungen gemacht. Das sind Häuser in katastrophalem Zustand, die sanieren wir von Kern auf, nutzen dafür die Förderungen der Stadt, bekommen dann auch steuerliche Vorteile, und im Gegenzug bekommt die Stadt jede zweite bzw. jede vierte Wohnung zur Vergabe. Das heißt, hier bestimmt die Stadt, wer Mieter zu besonders günstigen Konditionen wird. Dadurch kommt es zu einer guten Durchmischung im Haus. Die Abwicklung könnte hier durchaus etwas einfacher werden. Wenn man sich zu einer Förderung entschließt, kann das ein Projekt ein bis zwei Jahre verzögern. Die Stadt könnte einiges tun, um die Prozesse zu beschleunigen.
DR. DANIEL JELITZKA: Die Zuschlagskarte spielt beim geförderten Wohnungsbau für das klassische Zinshaus eine untergeordnete Rolle. Ich finde den städtebaulichen Vertrag, dass man als Bauträger in die Pflicht genommen wird, total in Ordnung. Beim Lagezuschlag ist wichtig zu wissen, was auf einen zukommt, damit man eine Vorausschau machen kann.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Jarolim, Herr Cech, in welcher Form wird die Novelle in Bezug auf die fossilen Brennstoffe das Zinshaus betreffen?
DR. GERHARD CECH: Die Energieraumpläne beziehen sich in erster Linie auf Neubauten, wobei noch offen ist, was tatsächlich Gegenstand dieser Pläne sein wird. Das Ziel muss sein, in Häusern mit Fernwärmeanschluss eine einheitliche Lösung für das ganze Haus zu finden, natürlich unter der Voraussetzung, dass die Fernwärme faire Konditionen anbietet. Ein Ansatz ist auch die verpflichtende Dämmung der obersten Geschoßdecke bei Gebäuden der Bauklasse 1, bei Umbauten von bis 25 Prozent der Gebäudehülle. Es wird sich zeigen, ob künftig auch höhere Gebäude davon betroffen sein werden.
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: In der Stadt stehen u.a. zwei wichtige Themen für die nächsten Monate am Plan. Zum einen: Wie kann ich geförderte Sanierungen attraktiver und schneller gestalten. Zum anderen: Die reine Sanierung eines Gebäudes, so wie es in den Block-Sanierungs-Themen immer gespielt wird, ist zu wenig. Es gibt in Simmering das EU-Projekt „smarter together“, das beinhaltet die Themen Sanierung, Mobilität und Energie-Raum-Planung. Dort wird auch speziell die partizipative Beteiligung der BürgerInnen an der Entwicklung ihres Stadtteiles forciert. Das Ziel aus diesem Forschungsprojekt ist, dort, wo wir einen hohen Anteil an Gründerzeithäusern haben, das ganze Grätzel zu beleben. Das heißt, alle Player zusammenzubringen und fokussiert auf ein ausgewiesenes Gebiet Stadterneuerung Plus zu betreiben, sprich die Zusammenarbeit im Sinn aller Interessen, also der Privaten wie auch jener der Stadt.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Wird die Änderung in den Abbruchvorschriften der Häuser mit Baujahr vor 1945 Ihr Handeln in irgendeiner Art beeinflussen?
DR. DANIEL JELITZKA: Wenn man ein Zinshaus mit Bauklasse 3 hat, ist das Bauprojekt sicher um dreißig Prozent teurer. Jetzt preist man nur noch die Substanz ein, was auch dazu führt, dass die Verkehrswerte einer Liegenschaft vor dem 30.6.2018 höher waren als jetzt. Mit diesem rückwirkenden Eingriff muss man jetzt leben und neu rechnen. Als Nachteil sehe ich es bei dem Projekt, das wir schon vorher gekauft hatten und in Zukunft abbrechen wollten. Das ist natürlich eine bittere Pille.
MAG. ANDREA PURKL: So eine Entscheidung, die vorgezogen wird und sehr schnell in Kraft tritt, kann durchaus für den einen oder anderen kleineren Player existenzbedrohend werden.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Herr Otto, Sie vertreten auch mehrere Grundstückseigentümer. Wie ist deren Stimmung?
DR. EUGEN OTTO: In Immobilien zu investieren, hat einen unternehmerischen Bestandteil, daher hat es auch unternehmerische Erwartungen. Wenn man sich mit der Substanz der Häuser in Wien intensiv beschäftigt hat, weiß man, dass die Häuser, auch wenn sie eine prachtvolle Fassade haben, im Inneren eigentlich nur mit einem übergroßen Aufwand saniert werden können. Daher bin ich durchaus auch der Überzeugung, dass es sehr wohl eine Substanz gibt, die nicht schützenswert und nicht erhaltenswert ist. Auch bei den Fassaden gibt es zwei Unterschiede. Handelt es sich um echte Fassaden, oder sind es aufgeklebte Ornamente, die man um die Jahrhundertwende im Nürnberger Buch bestellen konnte und die austauschbar waren.
Die Zahlen vom Herrn Cech zeigen: Wenn von 50 Verfahren, die eingestellt werden mussten, weniger als die Hälfte übriggeblieben ist, hat das dazu gedient, dass man sich genau mit der Substanz beschäftigt und alle, relevanten und einflussgebenden Partein ihre Meinung dazu äußern. Das finde ich in Ordnung. Es ist nicht alles schützenswert, was eine schöne Fassade hat.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Unter den Menschen, die Sie vertreten, gibt es dort auch Unzufriedenheit und Ängste, Unglück?
DR. EUGEN OTTO: Unglück ist eine existenzielle Bedrohung, das nicht. Aber es gibt bei einigen andere Erwartungen und die müssen sich mit den Gegebenheiten auseinandersetzen. Es wird auch dort eine akzeptable Konstellation geben. Wenn jemand nicht abreißen kann, wird er entweder selbst sanieren oder er wird weiterverkaufen.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Wie erheben Sie die gezahlten Realpreise im Marktbericht? Wie groß ist der Unterschied zwischen den Angebotsspreisen und den real gezahlten Preisen?
MARTIN DENNER: Natürlich schauen wir uns jede Transaktion im Betrachtungszeitraum anhand der Kaufverträge im Grundbuch an. Die Experten des Zinshausteams besprechen gemeinsam mit dem Researchteam jede Transaktion und setzen dann die Preise für den Marktbericht fest. Natürlich ist im Kaufvertrag nicht bei jeder Zinshaustransaktion eine Quadratmetergrundflächenangabe angeführt. Hier versuchen wir, teilweise auch durch Schätzungen mit der Grundfläche und der Stockwerke der Gebäude, die Daten zu ergänzen.
DR. EUGEN OTTO: Preise sind nicht vorherbestimmbar. Die tatsächlichen Kaufpreise sind vor 5, 7, 10 oder mehr Jahren immer unter den Angebotspreisen gelegen. Heute erleben wir oft, dass es Richtpreise gibt, die in transparenten Bieterverfahren meistens durchaus übertroffen werden. Ob eine Preisvorstellung sich erfüllt, liegt wesentlich daran, woher der Eigentümer sie hat. Wir hatten bei kaum einem der Objekte deren Verkauf wir in den den letzten Jahren begeleiten durfen einen Kaufpreis, der deutlich unter dem Angebotspreis gelegen ist.
In den letzten Jahren beschränkten wir uns auf die Formulierung: „Aus unserer Überzeugung können wir diesen Preis auf dem Markt mindestens bekommen“, weil wir eine ordentliche und gut dargestellte und präsentierte geprüfte Qualität anbieten. Es braucht bei uns einige Wochen, bis ein Zinshaus in die Vermarktung kommen kann, weil wir es von oben bis unten durch-leuchten. Wir leisten bei vielen Käufern Aufklärungsarbeit, was das steuerliche und rechtliche Element betrifft.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Was sind die Herausforderungen an den Zinshausmarkt für die nächsten Jahre und wie könnte man diese mit einem novellierten Mietrechtsgesetz Schritt für Schritt in den Griff bekommen?
DIPL.-ING. BERNHARD JAROLIM: Der wesentliche Punkt ist Rechtssicherheit. Das ist für alle Player sehr, sehr wichtig. Die momentane Situation birgt sehr viel Unsicherheit. Es kann ein haltbares Mietrecht nur geben, wenn das große Gemeinsame gesehen wird: nämlich leistbares Wohnen zu ermöglichen, sodass man nicht den Großteil seines Verdienstes fürs Wohnen ausgibt. Auf der anderen Seite braucht es Investoren und Entwickler, die Wohnraum zur Verfügung stellen. Auch seitens des Staates Österreich und der Stadt Wien gibt es große Herausforderungen im Hinblick auf die CO2-Einsparungsziele. Wie bezieht man da das alte Zinshaus mit ein? Wie kann man so sanieren, dass jeder etwas davon hat? Wie kann ich auch dafür einen fairen Mietzins lukrieren? Ich glaube stark an den Ausgleich. Wie kann ich gleichzeitig die Stadt so erhalten, dass man Lust bekommt, ein Haus zu kaufen und ein Haus zu entwickeln, aber auch darin zu wohnen und einen vernünftigen Mietzins zu zahlen? Das ist ein Bundesthema − was die Stadt Wien machen kann, tut sie. Das sind eben die beiden Themen der Sanierungen: Das ganzheitliche Entwickeln von Gebieten und das Angebot an Sanierungsförderung so zu gestalten, dass sich Projekte nicht standardmäßig zwei Jahre verzögern.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Verdichtung ist ein Thema, das uns in den nächsten zehn Jahren massiv treffen wird.
DR. GERHARD CECH: Mein Fokus liegt auf dem Stand der Technik. Gründerzeithäuser erfüllen nicht die modernen Standards von Neubauten im Hinblick auf Erdbebensicherheit, Wärmedämmung und anderes. Das Ziel wäre festzulegen: Was gilt von den Standards der OIB-Richtlinien auch für ältere Gebäude und was nicht? Es wäre notwendig, zwei Standards getrennt voneinander festzulegen.
In der Bauordnung ist das bereits umgesetzt. Das ist also kein baurechtliches Thema, sondern ein zivilrechtliches. Wir versuchen, die Idee, den neuesten Stand der Technik auch auf das Gründerzeithaus anzuwenden, abzuschwächen. Warum muss ich neue Standards einführen, die dem Haus nicht guttun? Wenn man den Konsensgedanken, der in der Bauordnung angelegt ist, wie das Gebäude damals war, ins Zivilrecht hinüber-bringt und den Gerichten nahelegt, würde das viel Unsicherheit nehmen.
DR. EUGEN OTTO: Es ist notwendig, Anreize zu schaffen, um in die bestehende Substanz ordentlich, gut und nachhaltig zu investieren, also eine Kombination aus den drei Gebieten: Mietrecht, Steuerrecht und Baurecht. Es braucht Regelungen mit fairer Berücksichtigung dessen, was erwartet werden darf und was es tatsächlich gibt. Es gibt Beispiele aus der Vergangen-heit, wo steuerliche Ansätze dazu gedient haben, die Substanz gut zu erhalten und dafür auch einen Incentive zu bekommen.
Die Qualität der Infrastruktur ist in wenigen Fällen reine Interpretationssache, da gibt es klare Daten und Fakten. Das sollte man nur transparent und rechtssicher darstellen. Ein komplett neues Mietrecht ist kein Ziel, dazu sind die Standpunkte zu unterschiedlich. Das bestehende ist ein geeignetes Gerüst, das sich hinsichtlich Sicherheit und Klarheit anpassen lässt.
DIPL.-ING. WOJCIECH CZAJA: Für Altbestandsmieten vor 1945 darf immer noch weniger verlangt werden als bei Neubaumieten, weil in der Nachkriegs-zeit das Wohnen in zerbombten Gebieten als nicht hochwertig galt. Heute sind genau diese Gebiete hochwertig: Der Altbau steht für hochwertiges Wohnen, die Erhaltung kostet viel, der Neubau ist im Vergleich dazu das nicht ganz Anzustrebende. Wann wird sich das ausgleichen oder sogar umdrehen?
DR. EUGEN OTTO: Die Situation nach dem Krieg hat sich völlig verändert. Wenn beide Seiten – Vermieter und Mieter – Interesse an einer Lösung haben, wird es den einen oder anderen Handel geben. Der Weg ist eine Schritt-für-Schritt-Annäherung in vielen Punkten.
MAG. ANDREA PURKL: Wir würden uns Rechtssicherheit wünschen und natürlich im Zinshaus eine Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten. Wir haben Wohnungen in der Größe von 150 bis 160 m2, da liegen wir in der Vermietung weit hinter dem Richtwert mit dem Lagezuschlag, weil die zulässigen Mieten am Markt nicht erzielbar sind. Es gibt den Mieter, der sich 3.000 Euro Miete pro Monat leisten kann, in unserem Markt momentan nicht. Wenn ich diese Wohnung teile, um zwei Wohnungen zu schaffen, müsste ich zu viel verlangen, um die Investitionen zu decken. Eine Anpassung des Mietrechtes auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Investitionen, die technisch notwendig sind, ist äußerst wünschenswert.
Den Schutz des Mieters finde ich wichtig, auch hier sind aber Anpassungen notwendig. Sehr positiv ist die Aussicht auf Flexibilität in der Flächenwidmung.
Sicherlich noch Anpassungsbedarf gibt es bei den Stellplätzen. Wir sehen den Trend zu „double income no car“ im innerstädtischen Bereich. Wir bauen zwar nicht mehr pro Wohnung, aber pro 100 m2 Nutzfläche einen Stellplatz. Oft wäre eine halb so große Garage mit Elektroanschlüssen und großem Fahrrad-Abstellraum viel sinnvoller. Wir werden in zehn Jahren wesentlich weniger Autos in der Stadt haben.
DR. DANIEL JELITZKA: Wesentlich ist, dass der Förderungstopf größer wird. Wichtig für das Zinshaus sind das Baurecht und das Steuerrecht. Es wäre hilfreich, wenn man bei Geschäftslokalen steuerliche Erleichterung überlegt oder Betriebsanlaufgenehmigungsverfahren erleichtert, vielleicht sogar gepaart mit einem Investitionsfreibetrag. Das Thema ist das Miteinander, das steuerliche und bundesrechtliche Nachbesserung braucht.